Alle Jahre wieder.. Nein, Nein, keine Weihnachtsgeschichte. Diese Geschichte wird von meiner Mutter an meinem Geburtstag erzählt. Es geht, wie sollte es anders sein, um meine Geburt. Zum 44. Mal die gleiche Geschichte. Obwohl, das wird dem nicht gerecht. Als ich klein war, kam die Geschichte nicht jedes Jahr auf den Tisch. Aber im Gegensatz zu Weihnachten passt diese Geschichte auch zu anderen Familenanlässen, so daß wir bestimmt bald das goldene Geschichtenjubiläum feiern können. Mein Vater stimmt zu, das heisst, er widerspricht der Geschichte nicht. Nicht das ich die Geschichte nicht mag. Dann würde ich sie bestimmt nicht hier runterschreiben. Wir müssen die Wahrheit erhalten. Bis jetzt hat mein Vater der augenblicklichen Version zumindest nicht widersprochen. Aber um die Geschichte zu schützen vor den jährlich hinzukommenden Ausschückungen muss sie jetzt notiert werden. Schliesslich geht es hier um meinen Ursprung, um die ersten Stunden meines Lebens.
Der Sommer 67 war heiß. Verdammt heiß. An einem dieser Tage besuchten meine Eltern gemeinsam den Tag der offenen Tür auf dem Militärflughafen Tempelhof in Berlin. Die gemeinsame Wohnung lag ja nicht so weit entfernt und so gingen sie los. Dort angekommen stellten sie fest, dass sie zwar den Fotoapparat, aber keinen Dia-Film dabei hatten. Für alle Jüngeren : Dia-Film bei Wikipedia. Also ging mein Vater die 1,3 Kilometer zurück, holte den Film und kam wieder. mein Mutter musste bei der Hitze warten. Danach schleppte er sie über den Tag der offenen Tür. Jede Vorführung, jedes Flugzeug, jeder Panzer wurde mitgenommen. „Stell Dich mal da hin, stell Dich mal hier hin. Lächeln“ (Conny kennt das auch). Und das alles im Hochsommer mit großem Schwangerschaftsbauch. (Auch das kennt Conny). Ich habe die Fotos noch heute und schaue sie mir gerne an.
Anfang September war es dann soweit. Ich wollte auf die Welt. Damals war vieles anderes als heute. Wenn heute der Vater bei der Geburt nicht dabei ist, wird er schon schief angeschaut. Die Betreuung der werden Mütter ist komplett an die Väter ausgesourct worden. Nicht ganz komplett, weil manchmal wohl die Väter mehr Arbeit machen als helfen. Ich kann da nicht mitreden, durch den Kaiserschnitt kam ich ja ohne Beschimpfungen und Verfluchungen davon und brauchte weder Massagen noch Aufbauarbeit leisten. Damals jedenfalls war das noch anders
Mein Vater gab meine Mutter abends im Krankenhaus ab und verschwand nach Hause. Erst am nächsten Abend kam er wieder, als alles vorbei war. Der erste Kontakt mit mir erfolgte dann bei der täglichen Galashow der Kinderabteilung. Nacheinander wurde Kind für Kind aus dem Bett geholt, zum Fenster getragen und gezeigt. „Hier sehen sie die Tochter der Müllers. Als nächstes der Sohn der Meiers. Und hier der kleine neugeborene Gebek.“ Untergebracht wurden die Kinder in einem großen Raum. Die Babybetten waren zweistöckig, damit mehr Kinder rein passten. Kontakt zur Mutter gab es für die Kinder nur zu den Fütterungszeiten. Dann wurden jedes Baby zu seiner Mutter gebracht und anschliessend zurück. Heute sind Mütter (und Väter) ständig für die Kinder verantwortlich.Es gibt zwar viel Unterstützung und auch das Windel wechseln machen am Anfang die Schwestern, aber heute kann man direkt eine Beziehung zu dem Kind aufbauen. Ich würde das nicht missen wollen.
Aber so gut hatten es meine Eltern nicht. Sie mussten also mit Telefon, mit beschränkten Besuchszeiten und der Kindershow am Fenster vorlieb nehmen. Nicht einmal ausreichend Wasser wurde den Schwangeren vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt. So hatte meine Mutter am Abend des 4. Septembers Durst. Soviel Durst, dass sie meinen Vater bat, Wasser mit ins Krankenhaus zu bringen. Statt sich selber nach der Arbeit darum zu kümmern, delegierte er die Aufgabe an meine Oma weiter. Die Oma kam sich wohl etwas blöd vor nur Wasser mit ins Krankenhaus zu der frischgebackenen Mutter zu bringen. Sie entschied sich lieber für Konfekt, das passte besser. Es kam wie es kommen musste. Alle erschienen im Krankenhaus, beglückwünschten die Mutter, bestaunten mich, aber keiner hatte Wasser dabei. Und da die Besuchszeiten auch nur kurz waren, zogen alle Besucher inklusive mein Vater und meine Oma in die nächste Kneipe, um die Geburt des kleinen Gebeks, als meine Geburt zu feiern. Und während alle auf mich tranken, bleib meine Mutter durstig im Krankenhaus zurück. Und ja, es waren sehr heiße September Tage.
Soweit in Kürze die Geschichte meiner Geburt. Ich bin mal gespannt, was Isabel sich alles anhören muss und wie die Geschichte in einigen Jahren klingt. Vielleicht sollte ich sie beim ersten Mal gleich aufschreiben. Obwohl, vielleicht wird sie ja im Laufe der Jahre noch schöner. Warten wir mal ab.
Mein Geburtsort
Klinikum Spandau: www.vivantes.de/ksp
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