Zeitreise: Heute DIE, morgen DU

Am 13. Dezember 1992 fand vor der Festhalle in Frankfurt ein Konzert gegen Menschenfeindlichkeit statt, Rock gegen Rechts. Es war die Zeit von Hoyerswerda, Rostock und vielen anderen Übergriffen. Eine schwierige Zeit, aber auch eine Zeit des Zusammenstehens, der Mahnlichter und der Lichterketten.

Seit vielen Jahren versucht die rechte Fratze des Hasses die Überhand zu gewinnen. Immer wieder taucht sie auf. Aber bisher hält die Gesellschaft immer wieder dagegen. Aktuell wird die AfD wieder zurück gedrängt. Früher waren es mal die Republikaner, mal die Skinheads, wer auch immer. Das rechte Monster ist nie besiegt, aber wir lassen es nicht gewinnen. Bisher machen wir das als Gesellschaft besser als 1933, aber man darf nie zu sicher sein.

Mich persönlich hat bei dieser Konserve nur überrascht, dass ich Rio Reiser und Ulla Meinecke schon mal live gesehen habe. Das Lied kannte ich noch, aber an den Auftritt kann ic mich nicht erinnern. Denn ich war natürlich dabei beim Rock gegen Rechts, beim Kampf für Menschlichkeit.

Zeireise / 13. Dezember

Urlaubsreife Blicke, Dienstagmorgen um halb acht
Die Zeitung sagt, schon wieder gab es eine heiße Nacht
Von Ost nach West – von Süd nach Nord
Den Nachkriegskindern fliegt die Unschuld fort
Keine Fragen mehr, wie konnt‘ das früher gescheh’n
Wir sind jetzt live dabei, brauchen nur fernzuseh’n
Und schon wieder das Schlaflied uns’rer Kinderzeit

Refrain:
Das hat doch keiner gewußt
und da war niemand dabei.

Wahlschlacht, und die Helden hängen wie Junkies an der Macht
Flammende Kampagnen werden zu Feuer in der Nacht
Es brennt immer mehr, doch was sie ernsthaft stört
Ist, daß davon die Nachbarschaft im Ausland hört
Das schadet dem Ruf, also Jungs, tobt leise
Geht doch keinen was an, uns’re kleine Zeitreise
Alles halb so wild, sind doch nur eins, zwei, drei

Refrain…

Jeden Morgen neu die Zeitung mit den Totschlagzeilen
Voll auf Kurs, dem Luxusschiff zu Hilfe zu eilen
Die machen aus Menschen Naturkatastrophen
Das Lied von der Flut in 120 Strophen
Das Boot ist voll und raus und Schluß
Das sind Blätter wie’n brennender Fidibus
Der Weg versperrt – die Presse ist frei

Refrain…

Viel zu viele hohle Phrasen in den Fernsehinterviews
Viel zu viel vor unsern Nasen und zu viele schauen zu
Und die Leitungen zur Wache sind zu lang – wer steht da drauf?
Und jeden Morgen wachen wir mit neuen Zahlen auf
Doch die Zahlen, das sind Menschen, eine Seele, ein Gesicht
Wir starren auf das Bild, Justizia sieht rechts nichts
Das war kein Vorsatz, nur ein Brandsatz, zwei oder drei

Refrain…

Und du gehst nachts nach Hause, und die Fenster sind schön hell
Du bist weiß, gesund und christlich, nicht mal homosexuell
Dann trifft dich vielleicht der gnadenlose Haß
Denn manchen macht der Haß einfach Spaß
Dann bist du allein und keiner hört deinen Schrei

Refrain…

Das kann nicht so bleiben, das darf nicht so sein
Das denken die meisten zu Hause allein
Gesichter im Spiegel, die man nicht mehr erkennt
Wer die Fremden nicht schützt, wird sich selber fremd

Refrain:
Und jetzt wissen wir´s alle,
wir sind alle dabei.


Anmerkungen

Der Song (1992) von Rio und Ulla heißt „Zeitreise“ oder auch „13. Dezember“, wobei sie den Text und er die Musik geschrieben hat. Der Song ist auf Ulla Meineckes Album „An!“ von 1994 drauf.
Der Song wurde am 13. Dezember 1992 in Frankfurt bei einem Konzert gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit live uraufgeführt (deshalb der Titel). Er wurde in der ARD live übertragen (Moderation Fritz Egner). Zuerst hieß der Song „Zeitreise“ und bekam erst auf der CD „An!“ den anderen Titel.
Der historische Hintergrund dieses Liedes sind die überproportional vielen ausländerfeindlichen Übergriffe und Anschläge Anfang der Neuziger Jahre. Am 20. September 1991 kommt es zu schweren ausländefeindlichen Ausschreitungen und Krawallen vor einem Ausländerunterkünften in Hoyerswerda und vom 22. bis 27. August 1992 kommt es zu tagelangen Krawallen rechtsradikaler Jugendlicher vor Ausländerunterkünften in Rostock-Lichterhagen, die auch live im Fernsehen übertragen wurden. Im November 1992 in Mölln und im Mai 1993 in Solingen wurden Brandanschläge auf Häuser von ausländischen Mitbürgern verübt, durch die zehn türkische Mitbürger, davon fünf Kinder, getötet wurden. 1994 gab es im März einen Brandanschlag auf die jüdische Synagoge in Lübeck und im Juli einen Überfall auf die KZ-Gedenkstätte Buchenwald.

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